The Holdovers
„The Holdovers“ greift ein vertrautes Setting auf und verbindet es mit klaren ästhetischen Entscheidungen. Eingebettet in die Struktur eines Internatsfilms entwickelt Payne eine Geschichte, die sich weniger durch Handlung als durch Atmosphäre formt. Das Jahr 1970 wirkt dabei nicht wie Kulisse, sondern wie eine zweite Haut. Der Ton bleibt lakonisch, das Bild trägt sichtbare Patina, der Rhythmus verweigert sich jeder Eile.
- Amazon Prime Video (Video-on-Demand)
- Paul Giamatti, Da'Vine Joy Randolph, Dominic Sessa (Schauspieler)
- Alexander Payne (I)(Regisseur) - David Hemingson(Autor) - David Hemingson(Produzent)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 12 Jahren
Während der Weihnachtsferien bleiben drei Menschen in der Barton Academy zurück: ein unbequemer Lehrer, ein zurückgelassener Schüler und eine Frau, deren Verlust alles überlagert. Zwischen Schweigen, Streit und vorsichtiger Annäherung entwickeln sich Spannungen, die auf alten Wunden fußen. Was bleibt, wenn Isolation nicht mehr schützt?
Besetzung / Darsteller, Regie und Drehorte
Der Film „The Holdovers“ ist eine Tragikomödie aus dem Jahr 2023 unter der Regie von Alexander Payne. Das Drehbuch stammt von David Hemingson, die Musik komponierte Mark Orton. Für die Kameraarbeit war Eigil Bryld verantwortlich, den Schnitt übernahm Kevin Tent. Die Hauptrollen spielen Paul Giamatti als Paul Hunham, Dominic Sessa als Angus Tully und Da’Vine Joy Randolph als Mary Lamb. Weitere Darsteller sind Carrie Preston, Andrew Garman, Gillian Vigman und Tate Donovan. Der Film wurde in Massachusetts an fünf Schulen und in Boston gedreht und dauert 133 Minuten. Die FSK-Einstufung liegt bei 12 Jahren.
„The Holdovers“ wurde im Stil eines 1970er-Jahre-Films inszeniert und digital mit Filmkorn und klassischen Stilmitteln nachbearbeitet. Die Premiere fand im August 2023 beim Telluride Film Festival statt. Der Film erzielte weltweit über 45,6 Millionen US-Dollar und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter einen Oscar für Da’Vine Joy Randolph und mehrere Preise bei den Golden Globes, Critics’ Choice Awards und der British Academy. Die Deutsche Film- und Medienbewertung verlieh das Prädikat „besonders wertvoll“. Ein Plagiatsvorwurf von Simon Stephenson sorgte 2024 für Diskussionen, blieb aber ohne rechtliche Folgen.
Zusammenfassung & Story vom Film „The Holdovers“
Im Dezember 1970 übernimmt Paul Hunham die Aufsicht über einige Schüler, die ihre Weihnachtsferien nicht zu Hause verbringen. Der Lehrer unterrichtet an der Barton Academy, wo ihn viele für seine Strenge und sein unnachgiebiges Verhalten verachten. Einer der Schüler ist Angus Tully, dessen Mutter lieber in die Flitterwochen reist, als Zeit mit ihrem Sohn zu verbringen. Auch Mary Lamb, die Küchenleiterin, bleibt auf dem Campus. Ihr Sohn starb kürzlich im Vietnamkrieg. Die Situation zwischen Hunham und den Zurückgebliebenen ist angespannt, da er Disziplin über Erholung stellt.
Als ein Vater spontan alle Schüler auf einen Skiurlaub einlädt, bleiben nur Hunham, Angus und Mary zurück. Angus versucht, alleine in einem Hotel unterzukommen, was zu einem Streit mit Hunham führt. Die Auseinandersetzung endet in einem Unfall, bei dem Angus sich die Schulter ausrenkt. Beim Arzt deckt er Hunham. Später feiern sie Weihnachten auf Lydia Cranes Party, einer Kollegin von Hunham. Dort küsst Angus ein Mädchen, Mary bricht emotional zusammen, und Hunham zeigt sich zunehmend überfordert. Nach einem weiteren Streit beginnt ein vorsichtiger Wandel.
Weihnachten in Boston
Hunham organisiert ein Weihnachtsfest und begleitet Angus nach Boston. Die beiden besuchen Museen, gehen eislaufen und treffen zufällig einen alten Kommilitonen Hunhams. Dabei wird deutlich, dass Hunham eine verdrängte Vergangenheit trägt: Eine Anklage wegen Plagiats und ein Vorfall mit einem reichen Studenten führten zu seinem Ausschluss aus Harvard. Angus erkennt Parallelen zu seinem eigenen Vater, der in einer psychiatrischen Klinik lebt. Die Begegnung mit ihm löst bei Angus Angst aus, ihm zu ähneln. Doch Hunham bietet Trost und stärkt sein Selbstbild.
Zurück an der Schule wollen Angus’ Eltern ihn in eine Militärakademie schicken. Sie machen Hunham für ein eskaliertes Treffen zwischen Angus und seinem Vater verantwortlich. Hunham übernimmt die Schuld und wird entlassen. Damit ermöglicht er Angus den Verbleib an Barton. Bevor er die Schule verlässt, stiehlt Hunham eine Flasche Cognac, die er später ausspuckt. Mary schenkt ihm ein Notizbuch für seine geplante Schrift. Am Ende trennen sich Hunham und Angus – verbunden durch ein stilles Verständnis, das über alle Feiertage hinausreicht.
Kritiken und Fazit zum Film „The Holdovers“
„The Holdovers“ zeigt Alexander Paynes Rückkehr zu einer präzise beobachteten, melancholisch geprägten Erzählweise, die viele als seine stärkste Arbeit seit Jahren bewerten. Die Inszenierung verzichtet auf Effekthascherei und nutzt stattdessen sorgfältig komponierte Einstellungen, um Stimmungen zu formen. Die Kameraarbeit trägt sichtbar 1970er‑Charme, indem sie Schnee und Interiorräume mit einer natürlichen Kälte inszeniert, die später in subtil warme Räume übergeht. Solche visuellen Entscheidungen geben dem Film eine fühlbare Struktur. Paul Giamatti liefert eine nuancierte Leistung, deren feine Gesten und Tonlagen mehr sagen als Worte. Neben ihm prägen Dominic Sessa und Da’Vine Joy Randolph das Gefüge, indem sie verletzliche Nuancen in ruhigen Szenen entfalten. Diese stilistische Ruhe unterstreicht Paynes Fähigkeit, innere Zustände sichtbar zu machen.
Paynes Rhythmus lässt dem Zuschauer Zeit, und der Ton wechselt organisch zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Eine Schlüsselszene, in der Hunham und Angus durch verschneite Straßen gehen, visualisiert diesen Wandel von Distanz zu menschlicher Verbindung. Später zeigt ein Abend im Kunstmuseum, wie visuelle Kunst im Film als Spiegel für persönliche Entwicklung fungiert. Dialoge klingen präzise, aber niemals belehrend. Der Film wirkt wie eine Studie über Einsamkeit, ohne ins Kitschige abzugleiten. Dieses Werk funktioniert besonders für Zuschauer, die ruhige, charakterzentrierte Filme schätzen. Starke Ästhetik und durchdachte Figurenzeichnung machen den Film zu einem der bemerkenswertesten des Jahres.