Anderson
Die „Biografie von Sascha Anderson“ ist eine Zeitreise in die Geschichte der DDR. Anderson war ein Spitzel, der seine Künstlerfreunde allesamt verpfiffen hat. Der Dokumentarfilm entstand 2014 und gelangte im Oktober desselben Jahres in die deutschen Kinos. Hauptsächlich finden während der Laufzeit Interviews statt.
- Anderson, Sascha, Maaß, Wilfriede, Maaß, Ekkehard (Schauspieler)
- Hendel, Annekatrin (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ohne Altersbeschränkung
Als Organisator, Musiker oder Poesieturbine arbeitete er über fünfzehn Jahre im Prenzlauer Berg und gab fleißig Auskunft über andere Menschen. Seine Informationen gelangten alle an die Stasi. Trotzdem war er der Mittelpunkt im Netzwerk des kulturellen „Undergrounds“ im Prenzelberg, in den frühen 1980er Jahren. Der Film „Anderson“ ist der zweite Teil einer Trilogie über das Thema Verrat.
Besetzung / Darsteller, Regie und Drehorte
Annekatrin Hendel fungiert in dem Dokumentationsfilm „Anderson“ als Regisseur, Drehbuchautorin und als helfende Hand in der Produktion. Dabei zur Seite standen ihr Holly Tischman und Maria Wischnewski. Im Ganzen möchte Hendel eine Trilogie über Verräter herausgeben. Der erste Film hieß „Vaterlandsverräter“ und drehte sich um den Schriftsteller und Ex-Stasi Mitarbeiter Paul Gratzik. Die Biografie „Anderson“ wurde auf der Berlinale 2014 uraufgeführt und zeigt Interviews der Hauptperson und seinen damaligen Weggefährten. Die ihnen zugeführten Verletzungen sitzen immer noch tief. Der dritte Teil soll sich auf das Attentat 1986 auf die Disco „La Belle“ beziehen. Über die Länge Biografie von 90 Minuten ist keine Altersbegrenzung vorgesehen.
Das gesamte Interview ist in Deutsch und wurde von Frank Griebe und Jule Cramer aufgezeichnet und von Jörg Hauschild zugeschnitten. Drei große Charaktere finden in den eineinhalb Stunden ihren Auftritt: Sascha Anderson, die Hauptperson. Bert Papenfuß und Roland Jahn, als auf den leimgegangenen Weggefährten.
Zusammenfassung & Story vom Film „Anderson“
Regisseurin Hendel interviewt den bekannten Stasi-Spitzel der DDR und seine damaligen Freunde und zeitgleich Opfer. Zustande kommt eine nüchterne und aufschlussreiche Aufnahme über das Hauptthema Verrat.
Die Hauptfigur Sascha Anderson stand der Regisseurin sehr nahe, denn sie selbst lebte und agierte ebenfalls in den 80er Jahren in der alternativen Szene im Osten von Berlin. Allerdings musste sie größtmögliche Überzeugungsarbeit leisten, um Anderson und seine Mitstreiter vor die Kamera zu locken. Das Ergebnis zeigt ein unsympathisches Bild des Protagonisten und ein schillerndes Porträt.
Der Dokumentarfilm ist ein persönlich angehauchter Rückblick auf die damalige Szene im Prenzelberg. Der Zuschauer wird ganz sachlich in die Machenschaften eingeführt. Die Künstlergruppe war eine eingeschworene Gemeinschaft, die von den Behörden damals geduldet wurde, allerdings gleichzeitig mit Argwohn betrachtet und überwacht. Grundsätzlich waren Überzeugungstäter eher selten unter den Stasi-Spitzeln zu finden. Nach eigener Aussage genoss Anderson eine starke kommunistische Erziehung.
Als Teenager wurde er von der Behörde angeworben und lange Zeit, war er vollkommen überzeugt das Richtige zu tun. Ganz gezielt benutzt die Stasi ihn in den 70er Jahren. Ab und zu kommt es zu Verdächtigungen von seinen Freunden, dass er ein Doppelleben leben würde. Immer wieder schafft er es, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Als er später wirklich enttarnt wird, ist die Frustration groß. Heute meiden ihn fast alle Mitstreiter und Freunde.
Vor der Kamera stehen, der Stasi-Beauftragte Roland Jahn, der Autor Bert Papenfuß und Thomas Plenert. Aufgrund ihrer Schilderung ist es für den Zuschauer möglich sich ein gutes Bild über Anderson zu machen. Ihren Angaben zufolge war er ein charmanter Lügner, der viel Charisma besaß. Obwohl der Spitzel sogar einige Zeit im Knast verbrachte, aufgrund von Scheckbetrug, ging er ein und aus bei den großen Herren des Kulturbetriebes. Das gesamte Interview fand in den Küchen der Gesprächspartner statt, diese haben natürlich nichts mit Stadtgame zu tun, weil diese die damaligen Treffpunkte der Szene waren. Zur großen Überraschung taucht ein Nachbau der Wohnküche von Ekkehard Maaß auf, damals war dies ein begehrter Ort für die Partys.
Insgesamt gesehen verhält Anderson sich ziemlich ehrlich, doch natürlich hat er für sein damaliges Handeln immer eine Rechtfertigung parat. Leider fehlt die Glaubwürdigkeit im Gespräch. Ein Mensch schaut sich oft im Spiegel an, ohne plausible Erklärungen für sein Handeln, könnte er sich nicht immer in die Augen schauen. Außer Papenfuß, sein heutiger Autor, spricht keiner von den alten Leuten mehr mit ihm.
Kritiken und Fazit zum Film „Anderson“
Der Macherin geht es nicht nur um eine Rekonstruktion, eine Schuldzuweisung oder eine Demaskierung. Eigentlich geht es Hendel um die Frage: Wie kann „Anderson“ mit dem Verrat leben? Und wie können die Opfer mit dem Verraten worden sein umgehen? Am Ende stehen keine endgültigen Antworten parat, aber viele kleine Enthüllungen und Anregungen. Diese Dokumentation ist eine sehr gute Auseinandersetzung mit deutsch-deutscher Geschichte.
Die zu sehenden Fallgeschichten sind untypisch, aber trotzdem bringen sie ein gutes Hintergrundwissen zu der ostdeutschen Kulturgeschichte, die jeder Mensch kennen sollte. Die Person Anderson wird dem Zuschauer nicht näher gebracht, weil er auch überhaupt keine Reue zeigt. Am Ende siegt die Erleichterung, dass die Zeit zur Vergangenheit gehört. Zumindest dachte Anderson, er hätte das System im Griff und hat gelernt, dass dem nicht so war. Allerdings bleibt eine Entschuldigung für sein Handeln aus.
Der Kulissennachbau lässt den Spitzel in den Redefluss verfallen. Die eingestreuten Originalrequisiten wirken sehr gut. Hendel zeigt einen sorgfältig arrangierten Dokufilm und kann zeitweise einen kleinen Spannungsbogen aufbauen.