Oben ist es still
„Oben ist es still“ erzählt die Geschchte von Landwirt Helmer, in den Fünfzigern, wortkarg, alleinstehend und lebt zusammen mit seinem dominanten und ebenso wortkargen Vater, den er im obersten Stockwerk seines Gutshauses pflegt. Dieser wünscht sich bereits den Tod und erwartet nicht mehr viel vom Leben, während Helmer sich zunehmend – als düstere Zukunftsvision, wenn man so will – in seinem Vater wiedererkennt.
- Willems, Jeroen, Garcin, Henri, Lakemeier, Martijn (Schauspieler)
- Leopold, Nanouk (Regisseur)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
Langsam beginnt er, die eigenen Bedürfnisse und die eigene Identität zu hinterfragen, die sein Leben lang eher im Hintergrund verblieben. Doch sowohl familiär als auch in Sachen Gefühle und Sexualität sind die Dinge über die Jahre in der kühlen, eher lieblosen Dynamik erstarrt seines Umfeldes erstarrt.
Besetzung / Darsteller, Regie und Drehorte
Gedreht wurde „Oben ist es still“ im ländlichen Holland unter Regie von Nanouk Leopold (Brownian Movement, Guernsey) gedreht, die Bakkers internationalen Bestseller zum Drehbuch adaptierte. In den Hauptrollen spielen Jeroen Willems als Helmer, der kurz nach Fertigstellung des Films im Alter von nur 50 Jahren verstarb.
Als Vater spielt Henri Garcin (Der rosarote Panther), Wim Opbrouk spielt den Milchmann, Martijn Larkmeier den Knecht Henk, sowie Lies Visschedijk (Soof, Feine Freundinnen) als Nachbarin Ada. Die Musik stammt von Paul M. van Brugge, Sounddesign stammt von Andreas Hildebrand und der Film entstand unter Zusammenarbeit mit ZDF und 3Sat.
Zusammenfassung & Story vom Film „Oben ist es still“
Der Alltag von Landwirt Helmer, um die fünfzig und alleinstehend, verläuft wie im Stadtgame nach den immer gleichen Riten: den Hof bewirtschaften, Schafe scheren, Kühe melken. Dazu kümmert er sich um den kranken Vater, den er alleine betreut – Geschwister oder Mutter gibt es keine. Das Verhältnis zu seinem Vater, den er im oberen Stockwerk des Hauses fast schon mechanisch pflegt, ist distanziert, die Dialoge handeln vom Wetter, und der Vater wartet im Grunde nur noch darauf, endlich zu sterben.
Entsprechen trist geht es in Helmers Leben zu. Zwar bringt ihm die Nachbarin gelegentlich einen Kuchen vorbei – mit eindeutigen Intentionen – und zudem gibt es auch einen neuen, deutlich jüngeren Knecht auf dem Hof. Das einzige kleine Highlight für Helmer besteht jedoch darin, den Milchmann beim morgendlichen Ausliefern der Milch zu beobachten. Vor allem seine Hände haben es Helmer angetan, was er dem Vater jedoch nur berichtet, wenn dieser bereits schläft.
Helmer ist homosexuell, ohne es jemals ausgelebt zu haben oder sich groß damit konfrontiert zu haben, und auch der Vater weiß nichts von der unterdrückten Sexualität seines Sohnes. Sowohl Gefühle als auch Sexualität finden in Helmers Leben ohnehin kaum statt, und auch die zurückhaltenden Kontaktversuche des Milchmanns werden von ihm ignoriert – trotz fortgeschrittenem Alter weiß er immer noch nicht, wie er damit umgehen soll.
Alles hat seine Ursachen
Im Laufe des Films fragt sich der Zuschauer: Was geschah zwischen Vater und Sohn, dass die Beziehung derart eisig, fast schon mechanisch verläuft? Die einen oder anderen Hinweise verstecken sich in den Szenen: so wird etwa angesprochen, dass Helmers Bruder Geert bereits jung verstarb – vermutlich ertrank er – und Helmer hält sich für den „falschen Sohn“, der zur Enttäuschung des Vaters anstelle von Geert noch am Leben sei – als menschliche Enttäuschung.
Gewalt aus der Kindheit, ein distanziertes Elternhaus, karge Kommunikation und Tod – im Laufe des Filmes zeigt sich, dass trotz Helmers Schweigen vieles in ihm am Brodeln ist. Ein letztes Gespräch vor dem Tod des Vaters bringt nochmals das ganze stille Elend, dass sich über die Jahre angestaut hat, auf den Punkt. „Warum hasst du mich so sehr“ fragt dabei etwa der Vater.
Doch wie sollen jetzt noch die passenden Worte von Helmer gefunden werden, wo doch während des Lebens immer geschwiegen wurde? Und wird Helmer nach dem Tod seines dominanten Vaters die Kraft und den Mut aufbringen, sich sowohl zu seiner Sexualität als auch zu seinem Bedürfnis, das ganze Elend hinter sich zu lassen, aufraffen können?
Kritiken und Fazit zum Film „Oben ist es still“
„Oben ist es still“ wurde im Panorama der 63. Internationalen Berlinale Filmfestspiele im Jahr 2013 uraufgeführt und erhielt überwiegend gute Kritiken. Im Zentrum steht nicht etwa das Coming-out des Protagonisten Helmer, vielmehr zeigt der Film fast schon dokumentarisch die persönliche Transformation Helmers in verschiedenen Bereichen seines Lebens – darunter Sexualität, seine Haltung zum Vater samt Vater-Sohn Verhältnis, welches sich erst gegen Ende des Filmes und somit des Lebens des Vaters ein wenig „verbessert“.
Denn nun findet immerhin ein Hauch von Kommunikation statt – jetzt, wo es nichts mehr zu verlieren gibt. Dies wird in Aufnahmen von Helmers ausdrucksloser Mimik sowie Nahaufnahmen auf Körperteile und Gegenstände zu einem intimen Portrait, welches die Distanz zwischen den Protagonisten eindringlich – und oftmals karg-bedrückend – wiedergibt. Die Dialoge sind ebenfalls knapp gehalten – vielmehr steht hier im Fokus, was nicht zur Sprache kommt.
Der Film „Oben ist es still“ ist eine Geschichte über den Tod, Familie und das Schweigen, aber auch über die Befreiung des Protagonisten Helmer aus den eigenen destruktiven Mustern, die er in Form des sterbenden Vaters vor Augen geführt bekommt.